Ich zweifel daran, dass es ein guter Plan des Rindviechs ist, nun ausgerechnet jetzt, da sich ein großer Pickup mit großer Geschwindigkeit nähert, die Fahrbahn zu betreten. Instinktiv ziehe ich die Bremshebel und werde langsamer. Die Situation spielt sich 200 Meter vor mir auf der Gegenfahrbahn der vierspurigen Straße ab. Der Fahrer des Autos hat die Situation erkannt, wechselt, die Geschwindigkeit beibehaltend, die Spur. Offensichtlich will er irgendwie an der Kuh vorbei, die, ihre Hufe mit Bedacht setzend, inzwischen die erste Fahrbahn mit Beschlag belegt hat. An der Straßenböschung trabt nun auch noch ein Kalb los, dahinter tauchen weitere Rinder auf. Der Fahrer plant nun für sein Ausweichmanöver eine der Gegenfahrbahnen zu nutzen. Aus meiner Sicht auch keine gute Idee. Ich fahre, meine Geschwindigkeit weiterhin verringernd, am rechten Rand meiner Fahrbahn. Das geht nicht gut denke ich, heute gibt’s Rindsgulasch, denn das Kalb trabt munter an der Kuh vorbei und versperrt die nächste Fahrbahn. Der Pickup schießt zwischen dem Kalb und mir gerade noch vorbei. Ich ziehe die Bremshebel noch etwas fester an, denn ich möchte das Tier auch nicht rammen. Die Lücke zwischen Kuh und Kalb nutzend, habe ich nun wieder freie Bahn und nehme in die Pedale tretend wieder an Fahrt auf. In Thailand werden Kühe und Wasserbüffel zum Weiden an einer langen Leine angepflockt, zumindest in der Nähe einer stark befahrenen Hauptstraße. Hier nicht. Wir sind in Laos.
Meine Erfahrung bei diversen Grenzübertritten mit dem Fahrrad sagen mir, dass man viel Zeit, Geduld und etwas Diplomatie im Gepäck haben sollte. Manchmal sind Bürotüren zu (Officer muss essen) oder nur zwei der fünf anwesenden Beamten arbeiten oder es werden erst mal nur Einheimische abgearbeitet, der Rest muss warten. Die Ausreise aus Thailand dagegen verlief wie geschmiert. Ein kurzer Vergleich unserer leicht verkrampft lächelnden Visagen mit dem Foto im Reisepass, Stempel, fertig. Ein paar Meter weiter am laotischen Grenzposten galt es, sich erst mal zu orientieren. Meine Frage, wo wir zuerst hin müssen, wurde freundlich in verständlichem Englisch beantwortet: „Gehen Sie bitte in dieses Gebäude, dort in die erste Etage und holen Sie sich ein Visum. Wenn alles erledigt ist, lasse ich Sie hier durch“. So lief das auch. Ohne Anstehen oder andere Verzögerungen waren wir in Laos eingereist, hatten am Geldautomaten knapp 1 Mio. Kip (fast € 40,--) gezogen und eine SIM-Karte gekauft, die von einer freundlichen Verkäuferin in kürzester Zeit eingerichtet wurde. Mit Landeswährung und Internet ausgestattet begaben wir uns auf die Landstraße. Hier nun wieder mit Rechtsverkehr. Es versprach ein guter Tag zu werden.
Die Fahrräder werden von dem schwankenden, schmalen Langboot herunter gehoben. Wir steigen auf und radeln durch eine schmale betonierte Straße. Rechts und links entlang des Weges reihen sich Guesthouses und Restaurants auf. Die Insel Don Det im „Land der 4.000 Inseln“ im Mekong kurz vor der Grenze zu Kambodscha wird von vielen Touristen besucht. Wir müssen noch ein Stück radeln, denn unsere Hütte, die wir uns ausgesucht haben, liegt etwas außerhalb an der Südspitze der Insel. Es sind ca. 30 Grad um 13 Uhr und wir sind bisher 60 km mit den Fahrrädern gefahren. Die Bebauung wird nun spärlicher und wir sehen nun wieder die Landschaft. Palmen und hohe Bäume zur Rechten, das Wasser und darauf schippernde Langboote mit ihren knatternden Motoren zur Linken. Der Fluss fächert sich zwischen den Inseln in ein Gewirr von vielen, kleinen Kanälen auf.
Etwas weiter südlich stürzen die Wassermassen dann in einigen großen und kleinen Wasserfällen herunter und vereinigen sich wieder zu einem großen, breiten Strom. Diese Insellandschaft bietet eine großartige Kulisse. Wir werden einige Tage hier verbringen. Kurz bevor wir unsere Unterkunft erreichen, können wir schon die Brücke sehen, die die Inseln Don Det und Don Khon verbindet. Gebaut wurde sie Ende des 19. Jahrhunderts von der französischen Kolonialverwaltung als Eisenbahnbrücke mit dem Ziel, die Mekong-Fälle zu umgehen, denn diese sind nicht schiffbar. Die Bahnlinie war 7 km lang und hier in Don Det gab es eine Verladestelle. Wir erreichen unsere auf Stelzen gebaute Holzhütte, ausgestattet mit WC, Dusche und einer kleinen Veranda mit Hängematte. Die Standardausstattung der meisten Unterkünfte hier. Vor 20 Jahren bestanden die Hütten fast immer aus leichtem Bambusgeflecht und hatten keinen betonierten Sanitärbereich. Wir werden hier kleine Radtouren und Wanderungen unternehmen und alles ganz in Ruhe angehen lassen. Ganz im Lao-Style eben, ruhig und gelassen.
Video: Kurze Videoclips aus Laos
Die Geschichte Laos seit dem Zweiten Weltkrieg ist geprägt von politischen Umwälzungen, kolonialen Einflüssen und Konflikten, die das Land bis heute beeinflussen. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und der japanischen Besetzung erklärte Laos am 2. Oktober 1945 seine Unabhängigkeit. Dies war jedoch nur von kurzer Dauer, denn die Franzosen kehrten schnell wieder zurück und erhoben Anspruch auf ihre alten Kolonien in Indochina und erlangten schnell wieder die Kontrolle über Laos und das Land wurde bis 1946 als französisches Protektorat verwaltet. Erst 1954 als Frankreich Dank des verlorenen 1. Indochina-Krieges aus Südostasien herausflogen, wurde Laos vollständig unabhängig.
Die Unabhängigkeit führte jedoch zu einem Bürgerkrieg zwischen der königlichen Regierung und der kommunistischen Bewegung Pathet Lao.
Der 2. Indochina-Krieg, der sog. amerikanische Vietnamkrieg, hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Geschichte und Politik von Laos.
Offiziell hatte Laos den Status der Neutralität, was die Nordvietnamesen allerdings nicht davon abhielt, ihre Nachschublinien über laotisches Staatsgebiet zu führen. Das veranlasste die USA diese Routen zu bombardieren. Das führte zu einer massiven Bombardierung des Landes, bei der mehr als zwei Millionen Tonnen Bomben abgeworfen wurden, was Laos zum am stärksten bombardierten Land der Welt pro Kopf machte.
Die instabile Situation in Laos wurde durch den Bürgerkrieg zwischen der königlichen Regierung und der kommunistischen Pathet Lao verschärft.
Die Pathet Lao wurde von Nordvietnam unterstützt, die königliche Regierung von den USA.
1975 endete der Bürgerkrieg mit der Übernahme der Pathet Lao, die die Monarchie stürzten und die Demokratische Volksrepublik Laos ausriefen. Die USA hatte sich als Verlierer zurückgezogen. Die Lao People's Revolutionary Party (LPRP) bildete nun eine sozialistische Einparteienrepublik.
Die Folgen der Fremdbestimmung und der Kriegswirren sind bis heute spürbar und prägen die Identität und die Herausforderungen, mit denen Laos konfrontiert ist.
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