Hinter der Baustelle an einer Brücke macht die Straße eine scharfe Linkskurve und einen kurzen, steilen Anstieg. Ich betätige die Schaltung des Fahrrades, um in einem leichten Gang den Anstieg zu bewältigen. Gleichzeitig schaue ich allerdings auf das Display des GPS- Gerätes, da ich kontrollieren will, ob wir uns auf der richtigen Route befinden. Ein blödsinniger Fehler. Als ich wieder auf die Straße schaue, sehe ich die ca. 1 m lange grüne Schlange genau vor mir auf dem Asphalt liegen. Ich mache einen harten Schlenker nach rechts, das Tier schießt nach links und verschwindet im Gebüsch. Wir hatten uns beide mächtig erschrocken. Schlotte, ein paar Meter hinter mir fahrend, hat von alledem nichts mitbekommen, es ging alles sehr schnell. Das war jetzt die zweite lebendige Schlange, die wir auf unserer bisherigen Reise zu Gesicht bekamen. Meist sehen wir nur die platt gefahrenen Kadaver am Straßenrand liegen. Aber ja, es gibt sie hier in Südostasien, davon nicht wenige.
Vor einer windschiefen Wellblechhütte sitzt eine Frau in Textilien gehüllt, die alt und abgetragen sind. Sie schaut mit gleichgültiger Miene und löffelt irgendetwas aus ihrer Schale. Vermutlich Reis. Der „Vorgarten des Anwesens“ ist mit Plastikmüll übersät. Mittendrin steht ein verrostetes Moped. Ausgemergelte, dürre Straßenköter schnüffeln zwischen Verpackungen herum und suchen nach Verwertbarem. Das unmittelbar angrenzende Grundstück ist von einer 2,50 Meter hohen Steinmauer umgeben. Vom verchromten Rolltor schlängelt sich eine mit weißem Kies bedeckte Auffahrt zu einem Carport, indem ein weißer, neuer Toyota-Hilux-Pickup steht. Dahinter befindet sich ein Gebäude mit drei Etagen, zwei davon mit geschwungenen Balkonen. Im Garten blühen Blumen, der Rasen ist frisch gemäht. Die gesellschaftliche Schere in Kambodscha geht hier im Westen des Landes offensichtlich weit auseinander.
Wir befinden uns kurz vor der Stadt Pallin, ca. 20 km von der Grenze zu Thailand entfernt. In der Stadt suchen wir uns eine Unterkunft, am nächsten Tag wollen wir die Grenze überqueren. Das Gelände wird jetzt hügelig und wir müssen hin und wieder ordentlich in die Pedale treten. Einige Kilometer weiter südlich befindet sich das Kardamom-Gebirge. Dieses vom dichten Dschungel bewachsene, schwer zugängliche Gebiet diente den Roten Khmer bis in die anfänglichen 2000er Jahre als Rückzugsgebiet von wo sie aus noch ihre letzten Guerillakommandos koordinierten. Möglich war das auch, weil sie lange von der thailändischen Regierung, aber auch von China und den USA unterstützt wurden. Dies ist nun Geschichte. Was bleibt, ist eine gespaltene Gesellschaft, eine hohe Armutsrate, ein hoher Anteil an Kinderarbeit und eine korrupte, autokratische Regierung. Gerne hätten wir diese sicherlich sehr schöne Gebirgslandschaft besucht, aber als Reiseradler hat man allein wegen der Unzugänglichkeit wohl kaum eine Möglichkeit, dorthin zu kommen.
Uns zieht es weiter nach Westen in die thailändische Provinz Chanthaburi. Diese beginnt gleich hinter der Grenze und das Hinterland ist wenig vom Massentourismus berührt. An den Stränden wird es wohl anders aussehen.
Wir kommen jetzt nicht mehr ganz so flott voran. Die Steigungen sind manchmal kleine, steile Rampen. Die zweispurige Fahrbahn mit ihrem breiten Seitenstreifen und dem hochwertigen, glatten Asphalt lässt sich gut befahren. Die Landschaft ist durchsetzt mit kleinen Bergen. In der Ferne kann man auch schon größere Bergketten sehen. Es geht entlang an Kautschuk- und Bananenplantagen. Die Sonne steht schon etwas höher, die Schatten werden rar. Es wird jetzt ziemlich warm. Wir sind nun in Thailand – kurz hinter der Grenze. In Kambodscha hatten wir noch auf die Öffnung einer Bank gewartet. Der Grund war, dass wir keine 1-Dollarnoten mehr hatten. Die benötigt man für die „Gebühr“ für den Ausreisestempel. Ein Stempel = 2 Dollar. Dies ist zwar keine offizielle Gebühr, wird aber an allen Grenzen in Laos und Kambodscha erhoben. Davor warnt jeder Reiseführer! Man sollte das Geld passend dabei haben. An der Grenze herrscht ein großer Andrang. War das der Grund, weshalb die Korruptionsdollar dieses Mal nicht verlangt wurden? Jedenfalls waren wir nach etwa einer Stunde durch. Nach ca. 25 Kilometer hinter der Grenze erreichen wir die Unterkunft, die wir uns schon am Vorabend auf der Karte ausgeguckt hatten. Eine Holzhütte auf Stelzen mit einem betonierten Sanitärbereich und kleiner Veranda in einem schönen Garten an einem Kanal gelegen. In der Dämmerung des Abends hören wir immer wieder einzelne Böller knallen. Die Schüsse kommen aus dem Dschungel der nahegelegenen Berge. Der Grund dafür ist, dass die Bauern die wild lebenden Elefanten, die es hier noch gibt, von ihren Pflanzungen vertreiben. Warnschilder vor Elefantenwildwechsel hatten wir am Straßenrand schon gesehen. Wir planen kleine Tagestouren ohne Gepäck über Waldwege. Mal schauen, vielleicht sehen wir ja einige Dickhäuter.
Video: Videoclips aus Kambodscha und Thailand
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