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Mit der Fähre nach Tanger - lange Nacht am Busbahnhof in Marokko

Mai 9, 2020 - Lesezeit: 9 Minuten

Die Abfahrt der Fähre von Barcelona nach Tanger war gemäß des Fahrplans für 17:00 Uhr angesetzt. Um 15:00 Uhr hatte ich mich am Terminal des Fährgesellschaft einzufinden. Da ich schon am Vormittag mein Zimmer im Hotel räumen musste, dann noch etwas Zeit am Strand verbrachte, traf ich lange vor drei im Hafen ein.

Lesend saß ich in der Halle und wartetete auf die Öffnung des für mich zuständigen Schalters. Nachdem ich mein Ticket erhalten hatte, kurbelte ich durch die Kontrollen auf dem Hafengelände und fand mich auf dem Parkplatz ein, auf dem schon eine große Anzahlvon Fahrzeugen standen, die ebenfalls auf die Freigabe, die Fähre entern zu können, warteten. Nur von dem stolzen Schiff, das uns nach Afrika bringen sollte, war noch nichts zu sehen.

Auch geraume Zeit später so gegen 17:00 Uhr nicht. Inzwischen war der Parkplatz gerammelt voll von PKWs und Kleinbussen. Viele der Fahrzeuge waren heillos überladen. Nicht nur auf den Gepäckbrücken und in den Kofferräumen stapelten sich Waren aller Art, sondern auch in den Innenräumen. Oft hatten die Fahrer weniger Platz auf ihren Sitzen als Kampfpiloten in ihren Jets. Viele der Fahrer waren Marokkaner, die in Spanien oder Frankreich Arbeit gefunden hatten und auf ihren Urlaub in die Heimat viele Dinge mitnehmen, die in Europa günstiger zu haben sind, als in Marokko. Ich war darüber erstaunt, mit wieviel "Tiefgang" man auf spanischen Strassen unterwegs sein darf, denn die Überladung der Autos war allzu offensichtlich.

Aber auch italienische französische und deutsche Touristen mit Surfbrettern auf der Gepäckbrücke oder den Haushund auf der Rückbank standen säuberlich aufgereiht auf dem Parkplatz. Dazwischen ein Fahrrad, auch mit Gepäck, meins. Ich saß in Ermangelung einer anderen Sitzgelegenheit auf dem Boden, wieder lesend, aber hochzufrieden über den Umstand, dass es nicht regnete, was mir die Wartezeit, sie ging nun in die dritte Stunde, ziemlich ungemütlich gestaltet hätte. Um mich herum ein emsiges Treiben. Spanngurte wurden zum zigsten Mal nachgespannt, Kofferraumklappen wiederholt geöffnet und verschlossen. Die aufgeregte Spannung über die bevorstehende Schiffsreise war spürbar, die Anwesenheit des Schiffes leider nicht.

Zu mir gesellte sich ein junger Marokkaner und wir kamen ins Gespräch. Er erzählte mir, dass er in Perpignan lebt und sich ebenfalls auf Heimaturlaub befindet. Wer von meinen fast nicht vorhandenen Französischkenntnissen weiß, fragt sich vielleicht nun, wie solche Unterhaltungen durchgeführt werden. Das spielt sich auf unterschiedlichen Ebenen ab, wobei Gestik meist ein wichtiger Bestandteil ist und was Geduld und Deutungskraft von den Gesprächspartnern fordert. Man kann das üben. Als ich ihm erzähle, welche Gegenden in Marokko ich noch gerne bereisen würde, machte er ein Gesicht, als ob ich ihn gerade von einem Suizidvorhaben berichtet hätte. Für mich war das Gespräch auch eine willkommene Übung, mich wieder mit meinem Bröckchen-Französisch zu verständigen. Dann lief das stolze Schiff, die ""Excellent"" in den Hafen ein, was die meisten Reisenden zum Anlass nahmen, noch einmal sämtliche Spanngurte zu kontrollieren und nachzuspannen und den Verschluß der Kofferraumklappe zu überprüfen.

Die Fähre wurde nun entladen, was wiederum seine Zeit in Anspruch nahm, denn es passen viele Fahrzeuge auf die drei Garagendecks. Die Spannung wuchs nun an. Als ein Mann des Hafenaufsichtspersonals sich langsam in Richtung des Schlagbaums bewegte, der die ganze Zeit die ungeduldige Meute in Zaum hielt, der Beamte sich also nur in die Richtung bewegte ohne die Sperre zu heben, starteten auf einen Schlag hunderte Motoren. Um mich der nun entstehenden Abgaswolke zu entziehen, fädelte ich mich mit meinem Fahrrad bis ganz nach vorne durch und durfte dann mit dem ersten Schub von den Autos, die fahren durften, es dürfen zur Vermeidung von Unfällen immer nur 3-5 Fahrzeuge auf einmal auf den Anlegeplatz fahren, zur Fähre radeln. Ungefähr 15 Minuten später, mein Gepäck hatte ich in meiner Kabine abgestellt, stand ich an der Reling und schaute dem emsigen Treiben auf dem Kai von oben zu.

Ich traf dann auch bald den jungen Klempner aus Perpignan wieder. Er hatte sich in ein dunkles Eckchen auf dem Deck verkrümelt und paffte eine dicke, angereicherte Zigarette mit der Begründung, dass dies ein gutes Mittel gegen Seekrankheit wäre. Ich hätte nun einwenden können, dass ab einer bestimmten Menge des Konsums dieser Kräuter eventuell das Gegenteil erziehlt werden könnte, schwieg dann aber zu dem Thema meine Flasche Bier in der Hand haltend. So führten wir unsere Unterhaltung, die bewährte Mischung aus Pantomime mit eingesprängselten französischen Vokabeln, fort und ich erfuhr ungefragt nun alles über die südfranzösischen Marktpreise für marokkanische Kräuter, was mir immerhin half, mir einige französische Zahlwörter zurück in mein Gedächniss zu rufen. Um 20:15 Uhr wurden die Leinen gelöst und die Fähre legte ab. Langsam verschwand das Lichtermeer Barcelonas hinter dem Horizont.

Mit dem Bericht über eine angenehme Fahrt bei ruhiger See und schönem Wetter möchte ich den Leser nicht langweilen. Erwähnt sei nur, dass die Fähre erstaunlicher Weise, trotz verspäteter Abfahrt zweieinhalb Stunden früher Den Hafen von Tanger erreichte, als der Fahrplan vorgab. Der Kapitän hatte wohl die eine oder andere Kanne Schweröl mehr in den Motor pumpen lassen. Meine Vermutung, dass die Crew pünktlich zum Anfang der Champions-League in Tanger anlegen wollte, erscheint mir selbst als weit hergeholt, sollte aber nicht gänzlich ausgeschlossen werden, da die Fahrt an einem Mittwoch statt fand.
Den Hafen zu erreichen war eine Sache, das Anlegemanöver, ohne dem es bekannter Maßen nicht möglich ist, ein Schiff trockenen Fußes zu verlassen, die andere. Fast drei Stunden lag der Kahn dann im Hafen und konnte aus mir nicht bekannten Gründen nicht anlegen. Die Hoffnung noch eine geöffnete Herberge meines bevorzugten Preissegments in dieser Nacht in Tanger zu finden, schwand. Dazu muss gesagt werden, dass sich der Fährhafen Tanger Med. fast 50 Kilometer östlich der Stadt befindet.

Nach dem glücklicherweise erfolgreichem Anlegemanöver und der Passkontrolle beim Verlassen des Schiffs, wollte ich nun, wie alle anderen Fahrzeugführer, Richtung Zollgebäude, dann zur Hafenausfahrt fahren. Dieses Vorhaben, es hätte mir so einiges an Zeit erspart und wäre meiner Ansicht nach der normale Ablauf gewesen, wurde mir von einem freundlichen, aber strengem Herren in Uniform verwehrt. Ich wurde angewiesen, mein Fahrrad in einem Bus zu verladen, der mich dann eine halbe Stunde später, zum keine 500 Meter entferntem Zollgebäude brachte. In diesem Bus befanden sich noch andere Passagiere, die die Fähre ohne ein Fahrzeug bestiegen hatten, trotzdem die gleiche Menge Gepäcks, verstaut in Koffern Säcken, Kartons usw. , wie ihre motorisierten Landsleute mit sich führten. Nun wurde all dieses Gepäck, so wie man es vom Flughafen her kennt, auf ein Band gelegt, um es zu durchleuchten. Zu diesem Zweck gibt es drei Fließbänder mit angeschlossenen Röntgengeräten. Eines davon war betriebsbereit. Was für ein Gedrängel, Palaver, Umherstapeln. Auch ich war genervt, denn ich musste ja auch mein Gepäck vom Fahrrad abschnallen. Die Zeit verging und mir wurde immer klarer, dass ich in dieser Nacht keine Unterkunft mehr finden würde.

Gleich hinter dem Zoll befindet sich der Busbahnhof, zu dem ich mich begab. Von dort wollte ich einen Bus in Richtung Stadt besteigen. Eine Fahrradmitnahme ist in Marokko meist möglich. Leider fuhr keiner mehr in dieser Nacht. Ich erfuhr das der Bus morgens um sieben wieder fahren würde, aber nicht vom Busbahnhof, sondern von irgendeinem Platz im Dorf, den ich dann auch erst finden müsste. Des nachts mich auf eine enge, kuvige Küstenstraße zu begeben und die Strecke abzuradeln kam mir keinen Moment in den Sinn. Im Dunkeln eine kurze Strecke auf einer Autobahn bei Barcelona zu pedallieren ist eine Sache, aber für die Küstenstraße in Marokko bei Nacht fehlte mir die dazugehörige Risikobereitschaft. So blieb mir nur unter Zuhilfenahme von Pudelmütze, Thermohose, Zweitsocken usw. bis zum Morgen auszuharren. Mein Zeitvertreib dabei bestand darin, sämtliche zwielichtigen Gestalten, die dort die Reisenden in Empfang nehmen und ihren Geschäften nachgehen, im Auge zu behalten. Nach und nach sprach jeder von ihnen vor und versuchte in einem Verkaufsgespräch seinen Absatz von Substanzen zu erhöhen, die auch in Marokko illegal sind. Ich war der einzige Europäer unter inzwischen nur noch einer Handvoll Reisenden und wurde von den Händlern als eventueller potenzieller, vielleicht aber auch einziger, Kunde gekührt. Nicht nur die Kälte, die inzwischen Wege durch meine frostabsorbierende Schichtenbekleidung gefunden hatte, sondern auch die Anwesenheit der Händler machten ein Nickerchen meinerseits unmöglich, denn ich hatte, wie es eine Glucke mit ihren Küken zu tun pflegt, über meine Habseligkeiten zu wachen.
Morgens um neun, Futtermangel, Müdigkeit und durchgefrohrene Knochen, hatten mir die Lust zum Radeln genommen, bestieg ich einen Zug, der mich in die Stadt brachte. Inzwischen schien die Sonne, wärmte mich und hebte meine Laune. In der Stadt fand ich mich schnell wieder zurecht, denn ich war schon früher hier. Schnell fand ich auch die Pension in der Medina (Altstadt), in der ich damals schon gewohnt hatte, nahm einen Imbiss zu mir und verschlief den Nachmittag.

Auf dem ersten Blick hat sich in den letzten Jahren in diesem mir bekannten Teil der Medina nicht viel verändert. Ich habe sogar einen Bekannten von damals getroffen. Man trifft sich und verbringt die Nachmittage bei kurzweiliger Unterhaltung auf derr Terrasse eines Cafes im ersten Stock mit Blick auf die Geschehnisse auf dem Platz darunter. Ich hoffe, dass ich von nun an die zeitliche Abfolge meiner Reise selber bestimmen kann.

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