Händler schieben Postkartenständer auf den Platz, Imbissbudenbesitzer bestücken Drehspieße, Ladeninhaber öffnen ihre Pforten und sortieren ihre Auslagen. Straßenmusiker finden sich auf ihren angestammten Plätzen ein. Touristen, noch mit Rucksäcken beladen und gerade angekommen, laufen auf der Suche nach einer Unterkunft ebenfalls über den Platz. Die ersten Bettler haben sich ebenfalls eingefunden. Geschäftig geht es an diesem Morgen, wie jeden Tag zu. Wir befinden uns in Essaouira, einer kleinen Hafenstadt mit einer sehenswerten Medina an der marokkanischen Atlantikküste. Die Sonne scheint, an den Felsen der vorgelagerten Insel Mogador brechen sich die Wellen, tosend, schäumend.
Wir sind nun eine Woche unterwegs und langsam kommen wir zur Ruhe, die ersten zwei Etappen, ca. 180 km, liegen hinter uns. Die letzten Wochen vor der Abreise waren sehr aufregend. Die Fahrräder mussten demontiert und verpackt werden. Gewissenhaft, damit sie auch bei einer robusten Behandlung am Flughafen nicht beschädigt werden. Packen und dabei nichts Wesentliches vergessen, die gepackten Taschen kontrollieren, in der Wohnung alles abschalten usw. waren die Beschäftigungen der letzten Tage. Werden die Fahrräder unbeschädigt am Zielort ankommen, wird das Gepäck vollständig dabei sein, wird der Transfer vom Flughafen zur ersten Unterkunft wie geplant verlaufen, waren die Fragen, die uns die letzten Tage beschäftigten. Eine sehr aufregende Zeit. Um es kurz zu machen : Alles verlief reibungslos.
Am Flughafen in Marrakesch wurden wir wie geplant von einem freundlichen Herrn mit einem kleinen Transporter abgeholt. Die Fahrradkartons passten gerade so in's Innere des Fahrzeugs. Da unsere Unterkunft in der Mitte des Gassengewirrs der Altstadt lag, wo ein Fahrzeug dieser Größe nicht durchkommt, wurde die restliche Strecke zur Unterkunft per Handkarren absolviert. Einer zog, zwei haben geschoben. Dann war es vollbracht. Wir waren angekommen.
Die Montage der Fahrräder in der ruhigen Gasse vor dem Hotel in der Altstadt von Marrakesch, ein alter Riad, war an einem Vormittag erledigt und nun steigerte sich die Aufregung hinsichtlich der bevorstehenden ersten Fahrradetappe. Nach längeren Spaziergängen im Gewirr der Gassen der Altstadt hatten wir bald davon genug. Die schlechte Luft in diesen Straßen, die Enge zwischen den japanischen Reisegruppen, den Verkaufsbuden mit ihren reichhaltigen Auslagen, den Mopeds und Fahrrädern, die meist mit unverminderter Geschwindigkeit durch die Menschenmassen fahren, waren nach drei Tagen zu viel des Guten. Wir bepackten die Räder im Morgengrauen, navigierten durch die Stadt und rollten vormittags über die Landstraße gen Westen Richtung Atlantikküste, die wir nach zwei Tagen erreichten. Spektakulär war der Start der zweiten Etappe. Hier brachen wir auch wieder im Morgengrauen auf, aber dieses Mal bei dichtem Nebel und bei einer Temperatur im niedrigen einstelligen Bereich. Dies gestalteten die ersten 30 km etwas weniger gemütlich. Das Haupthaar wurde nass, nicht unbedingt Calles Problem, aber Schlotte war gezwungen, ihre Pudelmütze zu tragen. Ein Film von Wassertröpfchen auf den Brillengläsern verschlechterte die ohnehin schon schlechte Sicht. Günther, auf seinem ihm angewiesenen Platz in der Lenkertasche schlafend, bekam von alledem nichts mit.
Hier in Essaouira an der Atlantikküste, auch eine vom Tourismus geprägte Stadt, die Medina gehört zum UNESCO- Weltkulturerbe, geht es im Gegensatz zu Marrakesch weitaus beschaulicher zu. Der Verkehr ist längst nicht so dicht und die Zahl derer, die mit dem Smartphone in der Hand daran teilnehmen, egal ob auf dem Fahrrad, Moped oder Auto, ist geringer, was deutlich zur allgemeinen Verkehrssicherheit beiträgt. Die stetig wehende Meeresbrise sorgt für ein großes Maß an Luftreinheit.
Unsere Unterkunft hier ist ein 1934 errichteter Riad namens Hotel Central, Calles Stammhotel, etwas morbide, aber mit großem Charme. Schwachpunkt des Hauses scheinen die Abwasserleitungen zu sein. So geschah es, dass Schlotte während des Duschens auf einmal knöcheltief in einem See aus Gülle stand, denn der Duschablauf hatte schlagartig beschlossen, seine Flussrichtung um 180° zu drehen. Vermutlich hatte Günther Dinge in die Toilette geworfen, die dort nicht hingehörten. Der Besitzer des Anwesens nahm es gelassen und routiniert. Eine halbe Stunde später waren wir in ein anderes Zimmer umgezogen (jetzt sogar mit einem Fenster nach außen), zwei Stunden später war die Havarie beseitigt und die Ursache dafür behoben.
Die nächsten Etappen werden uns nach Süden entlang der Küste führen. Da der Weg über die Ausläufer des Atlasgebirges führen wird, könnte es das eine oder andere Mal etwas anstrengend werden. Wir schaffen das !
Inchahllah.