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Die letzte Etappe nach Dakar führt durch dichtem Verkehr

Mai 9, 2020 - Lesezeit: 5 Minuten

Samstag 15 Uhr, ich stehe im Stau. Die Straße ist eng, ich kann mich mit dem bepacktem Fahrrad nicht an den Autos, Pferde- und Eselfuhrwerken, Sattelschleppern, Bussen und was gerade sonst noch unterwegs ist, vorbei schlängeln. Also übe ich mich in Geduld und ertrage die staub- und abgasgeschwängerte Luft.

Es geht langsam voran. Fußgänger sind schneller. Da es keinen Bürgersteig gibt, komme ich auch mit Schieben nicht weiter. Ich befinde mich in Keur Massar, einen Vorort von Dakar. Bis zur Innenstadt ist es noch eine Strecke von 20-30 Kilometern. So genau weiß ich das nicht. Es ist aber auch egal. Die Verkehrsdichte wird jetzt kaum abnehmen, das weiß ich und daher habe ich mir Gelassenheit und Humor verordnet, denn davon werde ich einiges brauchen.

In M‘Boro gestartet, ging es bei bei wenig Verkehr auf dem meist ebenen Gelände, recht schnell und entspannt voran. Absichtlich habe ich den Vorort Rufisque umfahren, in dem sich meist das Stauende befindet und habe eine Strecke über kleine Straßen nach Keur Massar gewählt. Hier ist aber jetzt Schluss mit entspannten Radeln., hier schlägt jetzt das alltägliche Verkehrschaos Dakars zu.

Nach etwa 15 Minuten sehe ich den Grund des Staus, eine Kreuzung. Auf verlorenem Posten agiert ein Ritter der traurigen Gestalt, bekleidet mit einer Gendarmenuniform, bewaffnet mit einer Trillerpfeife, wild trillernd und umher fuchteld und versucht etwas zu ordnen, was sich nicht ordnen lässt, den Verkehr in Dakar. Assistiert wird er von einem weiblichen Sancho Pansa, ohne Trillerpfeife, aber auch wild mit den Armen rudernd. Ob die beiden auf einander abgestimmt agieren, erschließt sich mir nicht. Ich bin damit beschäftigt, wie alle anderen Verkehrsteilnehmer, die paar freien Quadratmeter Asphalt zu nutzen, um mich an ein paar Fahrzeugen vorbeizustehlen, ohne dem Verkehrstod zu erliegen. Dies ist eine komplexe Aufgabe, die mir glückt und so komme ich in einen Bereich der Straße, in der der Verkehr wieder etwas fließt. Einige Autofahrer beschleunigen nun auf 60-80 Km/h, scheitern aber sofort wieder und müssen bremsen, da ich nicht gewillt bin, zu ihrem Gunsten mein Fahrrad durch fünf cm tiefen Sand zu schieben und frech einen geringen Teil des mir zustehenden Asphalts für mich zu beanspruche. Das hält sie auf und macht sie nicht glücklich. Ich aber bin stoisch und lasse mich nicht vom Gehupe und und Gezetere beeindrucken. Meine gute Laune lässt sich nicht von so einem bisschen Gehupe trüben und so radele ich grinsend in den nächsten Stau.

Hier ist allerdings die Straße zweispurig und es besteht die Möglichkeit eine dritte, sehr schmale Spur zwischen den Fahrzeugreihen zu eröffnen, die ich, zum Leidwesen der mir folgenden Mopedfahrer, nutze. Immer darauf hoffend, dass niemand aus den nicht mehr verglasten Busfenstern des ÖPNV spuckt, radele ich zwischen den Fahrzeugreihen. Das funktioniert teilweise ganz gut, nur Fußgänger und entgegenkommende Mopedfahrer nötigen mich zum gelegentlichen Bremsen. Aber es gibt ja noch den Sandstreifen rechts neben den beiden Fahrzeugreihen als letzten Ausweg. Spannend wird es in den Bereichen, die als Bushaltestelle, die von irgendjemanden oder irgendwas in vermutlich grauer Vorzeit vielleicht, deklariert wurden. Türen fliegen auf, junge Männer springen vom Fahrzeugdach, Leute stehen urplötzlich mitten im Verkehr auf der Straße. Ein gutes Reaktionsvermögen ist in diesem Bereich der Straße ein gewichtiger Teil meiner Gesundheitsversicherung. Trotz alledem, ich schwöre, ich habe nichts genommen, bleibt die Gelassenheit und die gute Laune auf meiner Seite, vielleicht deswegen, weil ich vor Jahren hier schon einmal mit einem Kleinbus entlang gefahren und dementsprechend für den Verkehr in Dakar vorbereitet bin.

Rechts befinden sich Fragmente einer Leitplanke, ich lehne mein Fahrrad dagegen und mache eine Pause und beobachte den Verkehr. Mit ein paar Schlucken Wasser und einer Zigarette beobachte ich Chaos sozusagen von der Tribüne. Es dauert nicht lange, da habe ich einen Sonnenbrillen- und eine etwas in die Jahre gekommene Bananenverkäuferin an der Backe. Ersterer lässt sich leicht abwimmeln, Mama ist beharrlich. Wir diskutieren. Sie auf Wolof, ich auf deutsch. Ich benötige jetzt gerade keine Bananen. Sie, verschmitzt und pfiffig, stellt sich mir in den Weg. Wir lachen. Nach meiner Ansage „komm Mamma-Afrika, lass mich jetzt in Ruhe“ , lässt sie mich augenzwinkernt durch.

Ich radele zwanzig Meter weiter, dann steht ein Rollstuhlfahrer in der kleinen Gasse. Ich schiebe ein paar Meter, bis mich Gerüche von menschlichen Exkrementen, in der Sonne gärenden Schlachtabfällen, Fisch und anderen undefinierbaren Würzen nötigen, das Weite zu suchen. Die beiden Fahrspuren sind inzwischen wieder in Bewegung gekommen. Führ ca, zwei Kilometer rauschen die Fahrzeuge mit erheblicher Geschwindigkeit an mir vorbei. Einem Sattelschlepper, der mich gerade überholt hat, platzt der ungefähr zwanzig Meter vor mir einer der Reifen. Ich bin froh, dass es bei dem Verkehr nicht unmittelbar neben mir geschehen ist. Ein Mopedfahrer, der mich ebenfalls gerade überholt hatte, rauscht voll in das umher fliegende Gummi hinein, aber er hat Glück, stürzt nicht und fährt weiter. Für einen kurzen Moment steht mein Herz still, aber alles ging gut. Gott ist mit uns, Hamdullilah.

Mit Hilfe de GPS-Gerätes werde ich meine vorher ausgesuchte Unterkunft finden. Einen Karton für den Transport des Fahrrades mit dem Flugzeug wartet schon an diesem Ort auf mich, was ich schon vorher per Email geregelt hatte.

Dakar, die letzte Station einer fast 3000 Kilometer langen Fahrradreise. Ich glaube die Stadt hat mich gut aufgenommen. Chaotisch, stinkend und überfüllt präsentiert sie sich einem jeden, der hier ankommt. Aber sicherlich hat sie noch andere Facetten parat. Während ich diese Zeilen auf dem Dach meines Hotels schreibe, höre ich die schnelle rhythmische Musik, die ich so mag von irgendwo her, mit chaotischen und doch irgendwie dem Rhythmus angepassten Gitarrenriffs. So funktioniert der Straßenverkehr hier, aber vielleicht auch alles andere.

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