Der Mann, der mich anspricht, erzählt mir nichts nettes, das verstehe ich sehr wohl, obwohl ich seine Worte nicht verstehe. Ich bleibe freundlich, lächelnd, wünsche ihm einen schönen Tag und gehe weiter. Kurz darauf kommt eine junge Frau in ihrem farbenfroh gebatiktem Gewand, eine Kuchenverkäuferin, die ihre Waren kunstvoll auf dem Kopf balanciert , zeigt in Richtung des Mannes, tippt sich an die Schläfe und sagt „crazy“. Wir lachen beide und ich bedanke mich.
Ich stehe auf dem Fischmarkt am Strand von Nouakchott, der Hauptstadt Mauretaniens. Viele der langen und schmalen Holzboote sind auf den Strand gezogen worden, andere ankern schaukelnd in den Wellen. Um mich herum ein großes Getümmel an Menschen. Fische der unterschiedlichsten Sorten und Größen werden entschuppt, ausgenommen und zerlegt. Fischer liegen auf Ballen von Netzen und schlafen. Arbeiter wuseln mit ihren Handkarren voller Fische dazwischen. Frauen bieten die unterschiedlichsten Waren an. Immer wieder werde ich angesprochen, ich bin der einzige Europäer an diesem Ort. Meist sehr freundlich erkundigen sich die Männer nach meiner Herkunft und ich erzähle ihm mit meinem Bröckchen-Französisch meine Geschichte. Das ich mit dem Fahrrad von Marokko her komme, setzt sie meist n Erstaunen.
Dieser Ort am Strand ist mir nicht fremd. Vor gut achtzehn Jahren war ich schon einmal her. Die Straße zwischen Nouadhibou im Norden und der Hauptstadt gab es damals noch nicht. Wer damals diese Strecke bewältigen wollte, es war nur mit einem Auto und der entsprechenden Ausrüstung möglich, musste seinen Weg durch die Wüste selber finden. Die letzten 130 Kilometer fuhr man bei Ebbe über den Strand und erreichte die Stadt genau an diesem Fischmarkt. Ab hier hatte man wieder Asphalt unter den Reifen, die man nun wieder auf ihren normalen Druck aufpumpen musste. Der Bau der Straße im Jahr 2005 machte die komplette Saharadurchquerung entlang der Westküste Afrikas mit dem Fahrrad erst möglich.
In Daklah strartend ging es in Begleitung zweier junger Männer aus der Schweiz, auch auf dem Fahrrad unterwegs, Richtung Grenze zu Mauretanien, die wir in mehreren Etappen erreichten und problemlos passierten. Dann ging es erst einmal nach Nouadhibou, der ersten Stadt in Mauretanien, wo wir zwei Tage Rast einlegten. Die nächsten Fahrradetappen verliefen auf den beschwerlichen Weg nach Süden. Der mauretanische Teil der Sahara entlang der Straße ist weniger felsig, meist sandig und oft säumen hohe Dünen den Weg. Der stetig starke Wind in der Wüste ist Fluch und Glück zugleich. Glück, da er meist von Norden her weht, Fluch, da er große Mengen Sand transportiert. Sehr oft war es nötig, dass Gesicht mit Tüchern zu verhüllen. Wir sahen mit unseren Tüchern, Mützen und Sonnenbrillen ziemlich verwegen aus. Angenehm war diese Vermummung nicht, denn man schwitzt dsrunter noch mehr als gewöhnlich. Entgegenkommende Lastwagen konnte man schon von weitem an der mit reichlich Sand angereicherten Wirbelschleppe erkennen. War man mit dem Truck auf einer Höhe, dann hieß es den Kopf zu senken, die Augen zu schließen und den Lenker gerade zu halten, denn man bekam nun eine volle Schaufel Sand an den Kopf geworfen. Eine spezielle Herausforderung bot ein Konvoi von 3 Sattelschleppern.
Meinen Wasserbedarf von ca. vier Litern pro Tag deckte ich an den wenigen Tankstellen oder Verkaufsbuden in den wenigen Dörfern, die sich auf dem Weg befinden, was eine vorausschauende Planung erforderte. Immer schliefen wir im Zelt, zwangsweise, bei den Posten der Gendarmerie, die aus einer Steinhütte besteht und mit sechs Beamten besetzt ist. Die jungen Männer waren meist freundlich und kochten am Abend auch mal Tee. Einer der beiden Schweizer hatte ein Thermometer in seinem Fahrradcomputer integriert und wir konnten bis zu 46°C messen.
Trotz der Widrigkeiten, die es auf einer solchen Fahrt durch Mauretanien gibt, hält die Wüste sehr unterschiedliche oft erstaunlich schöne Landschaften bereit. Sonnenauf- und Untergang bilden meist den Höhepunkt des Farbenspiels. Eine Vollmondnacht hat ihre besonderen Reize. Die letzte Etappe der Wüste mit Ziel der Hauptstadt, radelte ich wieder allein, denn nun hatten es die beiden Schweizer eilig.
Es ist nun zehn Jahre her, dass ich diese Stadt besuchte und ich habe sie kaum wiedererkannt. Sie ist gewachsen und moderner geworden. Die Ankunft an einem Freitagmittag war sehr beschwerlich. Die Hitze war beträchtlich, der Autoverkehr ebenfalls. Dieses Gemisch aus Abgasen, der Hitze, dem Chaos und der Lautstärke weckten in mir Schwindelgefühlund ich „rettete“ mich in den Schatten eines Cafes und genehmigte mir einen großen, schwarzen, gesüßten Kaffe. Ich fühlte mich etwas verloren, schmutzig und in jeder Hautpore klebte Sand. Hemd und Mütze waren steif vom Salz meines Schweißes. Es galt eine Unterkunft zu finden, was sich unter den gegebenen Umständen als schwierig erwies.Ich hatte von zwei Guesthäusern gehört, dem „Sahara“ und dem „Menata“. Also versuchte ich mich durchzufragen. Irgendwann traf ich auf einen netten Herrn, der sich auskannte und mit seinem Auto vorrausfahrend, mich zum „Menata“ leitete. Und siehe da, diesen Ort kannte ich bereits, denn ich war schon vor zehn Jahren hier und konnte mich nur nicht an den Namen erinnern. Ein Gebäude von Bäumen umringt. Schatten, der die Zeit der großen Hitze erträglich macht eine Dusche, die nach meiner Benutzung aussah, wie der Strand von Mallorca. Restaurants, Cafes und Geschäfte in der Nachbarschaft.
Der Mann an der Rezeption, etwas englisch sprechend, bringt mir ein paar Brocken Woloff bai, die Sprache, die vorwiegend in Senegal gesprochen wird. In seinen Arbeitspausen spielt er Gitarre und singt dazu. Beides kann er vortrefflich. Er stammt aus Kamerun und heißt Ottou, was an dem deutschen Otto angelehnt ist. Kamerun war eine deutsche Kolonie. Wir sitzen oft zusammen und erzählt mir von seinem früheren Leben im Armenviertel der Stadt. Er möchte mir gern alle seine Schwestern vorstellen, denn davon hat er viele, wie er sagt und schon flaniert die eine oder andere Schönheit über den Hof.
1800 Wüstenkilometer liegen hinter mir. Die Landschaft wird sich gen Süden hin, durchbrochen von dem Grünstreifen des Senegalflusses, der zugleich die südliche Grenze Mauretaniens ist, langsam in eine Savanne wandeln.