Ohne in die Pedale treten zu müssen rollte ich den Berg hinunter, den ich zuvor mühsam erklommen hatte. Einige Steigungen hatte ich noch zu bewältigen, die zwar recht steil sein würden, aber nicht so lang wie die, die jetzt hinter mir lag. Bis nach Agadir waren es jetzt nur noch ungefähr 65 Kilometer entlang der malerischen Küste. Der Himmel war blau und die Sonne schien an diesem späten Vormittag.
Ein recht kühler und starker Wind blies mir in den Rücken und machte mir das Radeln auf diesem Streckenabschnitt recht leicht. Da ich durchgeschwitzt war, trug ich meine winddichte Regenjacke, die ich vor der Bergabfahrt, man verkühlt sich sonst sehr schnell, angezogen hatte. Ich war nicht sonderlich froh über den starken Rückenwind, denn ich wusste, dass die Küste in etwa 10 Kilometern Entfernung einen Knick nach Osten machen und dann der Wind von der Seite kommen würde und mir ein Geradeausfahren auf der schmalen Küstenstraße erschweren würde, was so dann auch eintrat. Diese Etappe von insgesamt 95 Km wurde dann sehr anstrengend.
In Safi hatte man mir noch geraten ca. 10 Tage meine Abfahrt herauszuschieben, dann würde sich das Wetter wieder ändern. Ich hatte aber keine Lust mehr zu warten und als die Wettervorhersage drei regenfreie Tage prognostizierte, machte ich mich auf den Weg. Mit dem Wind, der regelmäßig ab der Mittagszeit zunahm, würde ich schon klar kommen, dachte ich mir. Das Wetter hier ist zu dieser Jahreszeit vom Scirocco bestimmt, der in diesem Jahr vielleicht auch für den vielen Regen verantwortlich ist.
In der Vergangenheit habe ich mich in dieser Region Marokkos meist im Januar aufgehalten, aber noch nie Mitte März so wie jetzt und so war ich erstaunt und angetan darüber, wie grün und blühend die Landschaft zu dieser Jahreszeit ist. Was mir bisher als öde, trockene Geröllfelder durchsetzt mit ein paar Ackerfurchen bekannt war, waren nun Kornfelder, Kleewiesen oder Gemüsebeete. Ein herrlicher Anblick. Südlich von Essaouira führt die Straße über die letzten Ausläufer des Atlasgebirges, von dem die etwas höher gelegenen Gipfel jetzt noch schneebedeckt waren. Das kannte ich nur vom hohen Atlas südlich von Marakesch. Kleine Flüsse, die ich nur im völlig ausgetrocknetem Zustand kannte, führten nun Wasser.
Mit dem Wetter hatte ich jedenfalls Glück Nur der heftige Wind machte mir das Radeln schwer und war an einem Tag so stark, dass ich meine Abfahrt aus Agadir verschieben musste. Die Böen hatten eine Stärke, dass man am Strand sandgestrahlt wurde und auch mein Zelt hätte womöglich diesen Böen nicht standgehalten.
Die Straße von Agadir nach Tiznit ist nun komplett vierspurig ausgebaut, was das radeln auf dieser stark befahrenen Straße erleichtert denn man wird nicht mehr so oft mit elendig knappen Abständen von den Fahrzeugen überholt. Die etwas mehr als neunzig Kilometer konnte ich an einem Tag fahren, denn der Wind war auf eine normale Stärke vermindert. Zwischen Tiznit und Sidi Ifni liegt der Ort Mirleft, in dem ich in vorangegangener Zeit immer ein paar Tage halt gemacht hatte. In der Zeit zwischen meinem ersten Aufenthalt dort vor 18 Jahren, es war ein kleines Fischerdorf an einer Bucht mit einem Strand gelegen, under der Gegenwart, hat sich der Ort zu einem voll ausgebauten und gestylten Touristenzentrum gewandelt. Fast jedes Haus bietet Unterkünfte an und der Ort ist flächenmäßig immens gewachsen. Die unvermeidlichen Surfschulen, an denen es hier an der Küste nur so wimmelt, schießen auch in Mirleft aus dem Boden. Ich hatte dann entschlossen zwei der geplanten Etappen zusammenzufassen, was anstrengend aber machbar war und bin an einem Tag gleich durch von Tiznit nach Sidi Ifni gefahren. Dieser Teil der Küste wird nun nach und nach für den Tourismus erschlossen und ausgebaut. In der Region 30 Kilometer nördlich von Agadir hatte ich einige Orte kaum wiedererkannt, obwohl ich das das letzte Mal erst vor zwei Jahren dort war. Ich habe keine Ahnung, woher das ganze Geld kommt, denn es werden nicht nur neue Hotelanlagen errichtet, sondern es entstehen komplett neue Straßenzüge, die in die felsige Küste hinein gebaut werden. In Safi, so erfuhr ich, sind es vorwiegend türkische Investoren, die dort die Corniche glatt gehobelt haben, um dort in naher Zukunft Hotels zu bauen. Auch dort wird sich das Leben in naher Zukunft drastisch verändern.
Hier in Sidi Ifni werde ich ein paar Tage bleiben, um meinem Knie, welches ein Eigenleben entwickelt hat, etwas Ruhe zu gönnen und mich mit gutem Futter für die nächste Etappe zu rüsten. Diese führt mich nochmal über zwei kleinere Berge mit steilen Steigungen, ist knapp 60 Kilometer lang und führt mich in die Stadt Guelmim, die seit je her auch „Tor zur Sahara“ genannt wird. Eine ehemalige Karawanenstadt. Dann liegt sie vor mir, die große Wüste, die erst in mehr als 2000 Kilometern Entfernung im Süden Mauretaniens am Senegalfluß, der auch die Grenze zum Staat Senegal kennzeichnet, in einer Savanne, dann in Buschland übergeht.