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Mit dem Fahrrad von Nouakchott in Mauretanien bis Senegal

Februar 1, 2024 - Lesezeit: 5 Minuten

Von einem Stockschlag angetrieben schert der Esel, einen einachsigen Karren ziehend, aus seiner Parklücke aus. Da Esel weder über Rückspiegel noch Scheibenbremsen verfügen, ziehe ich es vor, das Fahrrad abrupt zu bremsen und hinter dem Karren stehen zu bleiben. Hinter mir macht Schlotte ebenfalls eine Vollbremsungmit dem Fahrrad. Der Esel vollführt stoisch eine Wendung, blockiert dabei beide Fahrbahnen, was mit einem Hupkonzert quittiert wird und reiht sich mit angelegten Ohren in den Gegenverkehr ein. Bevor wir wieder anfahren werden, werden wir von einigen ungeduldigen Autofahrern in ihren alten Klapperkisten rechts überholt, die über den Sandstreifen neben der Fahrbahn heizen. Kaum angefahren, muss ich schon wieder bremsen. Grund dafür ist ein SUV, der aus einer Seitenstraße schießt, um eine Lücke im Verkehr zu nutzen. Ich fahre an und zwinge ein anderes Fahrzeug zum Bremsen. Hier in Nouakchott gilt im Straßenverkehr zwar das Recht des Stärkeren, ich habe aber nun die Nase voll und werde wütend. Das kann ungesund werden. Schlotte hatte vernünftigerweise angehalten. Das muss ich nun auch, denn ich will auf sie warten. Einigen Fußgängern ausweichend kommt sie herangeradelt. Ich kann nicht losfahren, denn auf meiner Fahrbahn kommt nun ein Schrotthaufen ohne Kühlergrill und Rückspiegel entgegen und biegt in die aus meiner Sicht von rechts kommenden Straße ab. Der LKW-Fahrer hinter uns wurde ungeduldig, nutzte eine Lücke im Gegenverkehr, um ein Überholmanöver einzuleiten, kommt aber nur drei Meter weit, steht und blockiert wild hupend beide Fahrbahnen. Die anderen Verkehrsteilnehmer hupen auch, dabei wild mit den Händen fuchtelnd. Wir rollen wieder. Mit einem scharfen Schlenker weiche ich einer rotbraunen mit Fell besetzten Lache aus. Vermutlich ein platt gefahrenes Säugetier, nicht mehr identifizierbar, muss aber dem Geruch nach zu urteilen, dort schon einige Zeit liegen. Ein Blick auf das GPS sagt mir, dass es an der Zeit ist, rechts abzubiegen, dann die übernächste links, um die südliche Ausfallstraße zu erreichen. Fehler! Die Straße, in die wir links abbiegen möchten, entpuppt sich als Sandweg, was man aber auch erst auf den zweiten Blick erkennt, da der Weg völlig von Müll überzogen ist. Eine Randbezirkseinkaufsstraße, die Händler bauen gerade ihre Stände auf. Es ist 8.30 Uhr, wir schieben durch vorwiegend Plastikmüll watend, unsere Fahrräder. Mopeds und Eselkarren fahren, für Autos ist es zu eng. Schiebend an der südlichen Ausfallstraße angekommen, begrüßt uns laut hupend und dicke Rußpartikel ausstoßend, der Schwerlastverkehr auf einer gar nicht mal so breiten Straße mit ausfransenden Rändern. 17 km weiter lockert sich der Verkehr etwas und die Lastzüge können uns großzügiger überholen und gehen nicht mehr so auf Kuschelkurs. Wir haben nun Nouakchott in südlicher Richtung verlassen und müssen wieder an einer Baustelle die Fahrräder einen halben Kilometer lang durch den Sand schieben. Langsam wird es warm, Staub hängt in der Luft. Wir rollen wieder, nun auf einer recht guten, inzwischen wenig befahrenen Landstraße. Die Sonne steht hoch, es wird heiß, wir trinken reichlich Wasser. Davon haben wir genügend dabei. Zwischen den Sanddünen, die jetzt seltener werden, wachsen mehr und mehr Bäume mit dornenbesetzten Zweigen, Dort, wo sie herankommen, zupfen Kamele vorsichtig die Blätter ab.

Nach knapp 90 km auf dieser Etappe unserer Fahrradreise erreichen wir auf der von kleinen Dörfern gesäumten Landstraße die kleine Stadt Tiguent. Ein unwirtlicher Ort. Die Grenze zu Senegal ist nicht mehr weit. Es gibt dort eine Auberge (abgehobener Preis) und eine Appartementvermietung. Den Zeltplatz, von dem uns in Nouakchott berichtet wurde und den wir ansteuern wollten, gibt es nicht, wie uns unfreundliche, misstrauische Männer versichern. Schlotte fragt beim Vermieter des Appartements an. Es ist frei, aber viel zu teuer. Ich beginne zu handeln und kann den Preis um ein Drittel senken. Immer noch zu teuer, aber irgendwo müssen wir ja unter kommen. Der Deal steht. Aufgrund unserer Vorstellung von Hygiene beschließen wir, unsere Isomatten auf den Teppich des Wohnzimmers zu legen, unsere Schlafsäcke auszupacken und das zur Verfügung stehende Bett nicht zu benutzen. Wir sind ja nicht zimperlich, aber der Spaß hat auch seine Grenzen. Der Teppich ist dick, hier und da verkrümelt, was den zahlreichen Kakerlaken eine Lebensgrundlage bietet, weich. Das Appartement hat auch eine Küche, in der sich nicht abgewaschenes Geschirr stapelt (weitere Kakerlaken-Weideplätze) und einen in den mauretanischen Haushalten üblichen Campingkocher. Wir finden einen halbwegs sauberen, unbewohnten Topf. Die Aussicht auf einen löslichen Kaffee am nächsten Morgen hebt unsere Laune. Plastikbecher, Kaffee und Zucker haben wir im Gepäck. Über den Zustand der Bäder unseres Appartements, es gibt zwei davon, möchte ich mich an dieser Stelle nicht weiter auslassen.

Am nächsten Morgen verlassen wir kurz nach Sonnenaufgang die letzte auf unserer Route liegende mauretanische Stadt. Nach ca. 85 km erreichen wir den Damm, der nun nicht mehr asphaltiert ist und entlang des Senegal-Flusses führt.
Nach etwa 10 km auf dieser staubigen Piste haben wir in der Hitze des Nachmittags genug geradelt. Wir dürfen unser Zelt neben dem Haus des Nationalpark-Rangers aufbauen und im kühlen Schatten den Abend genießen. In den weiten schilfbewachsenen Ebenen beobachten wir eine reiche Vogelwelt. Eine Sensation nach fast 2.000 km Wüste. Am nächsten Morgen rumpeln wir auf der Piste weiter entlang des Flusses in Richtung Grenzübergang zum Senegal. Diese Etappe gestaltet sich ziemlich anstrengend, gehört aber zu den schönsten unserer Fahrradreise. Zu den Attraktionen gehören die Flamingos, Pelikane, aber auch Rotten von Warzenschweinen, die man hier beobachten kann. Nach einigen kleinen Pausen und mit von der Rüttellei schmerzenden Handgelenken, erreichen wir den Grenzübergang. Wir überqueren den Fluss, die Formalitäten zur Einreise sind erstaunlich schnell abgehakt. Nun rollen wir wieder auf einer asphaltierten Landstraße und radeln Richtung der 30 km entfernten Stadt St. Louis, der nördlichsten Stadt im Senegal. Die Stadt umfahren wir, Ziel ist ein etwa 20 km südlich gelegener Campingplatz, der Zebrabar, mitten in einem Nationalpark. Auch hier kann man eine reiche Fauna beobachten, sogar Affen leben hier noch. St. Louis mit seiner kolonialen Altstadt werden wir später besichtigen. Sie gehört zum UNESCO- Weltkulturerbe. Erstmal gönnen wir uns etwas, von dem wir schon seit Wochen träumen, eine große, kalte Flasche Bier.

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