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Mit dem Fahrrad gegen den Wind nach Tiznit und Mirleft

Mai 12, 2020 - Lesezeit: 5 Minuten

Da ich keine Lust habe, das Fahrrad und das Gepäck die Treppen am Haupteingang hoch zu tragen umrunde ich den Busbahnhof und radele gemütlich um das Gelände herum und nehme die Einfahrt für die Busse. Der Schlagbaum wird mir geöffnet und ich fahre bis zum Fahrkartenschalter.Es ist kurz vor 22 Uhr, viel zu früh, denn mein Bus fährt erst um eins. Da ich nicht wollte, dass mein Gastgeber so lange wach bleibt, hatte ich beschlossen die drei Stunden bis zur Abfahrt auf dem Busbahnhof zu verbringen. Das ziemlich hässliche Gebäude beinhaltet nebst Fahrkartenschalter auch eine Cafeteria. Einige Busse stehen in ihren Parkhäfen zur späteren Abfahrt bereit. Es befinden sich wenige Reisende um diese Uhrzeit auf dem Gelände.

In den Ecken liegen auf Wellpappe und in Decken gehüllt einige Leute und schlafen. Sie leben hier nachts auf dem Busbahnhof. Auf einer Bank sitzt ein Mann im verschmutztem Outfit und schimpft sehr laut und aggressiv über irgendetwas oder irgendjemanden, was niemanden kümmert.

Ich bringe mein Fahrrad nebst Gepäck zum Gepäckschalter und stelle den Sattel tiefer, was das Verladen des Fahrrades erleichtern wird und erhalte meinen Gepäckschein. Dann setze ich mich auf eine Bank und beginne zu lesen. Nicht sehr lange, denn in der Ecke, in der ich sitze stinkt es nach Urin und so beschließe ich die Cafeteria aufzusuchen. Auch dort ist es im gleißenden Neonlicht nicht sehr gemütlich. Der schimpfende ältere Herr steht nun in der Halle die Akustik nutzend und schreit einen Kaugummiautomaten an. Ich setze mich ein in die Hütte der Gepäckverladestation neben mein Fahrrad und lese bis der Bus kommt, mein Fahrrad unter meinen kritischen Blicken ordnungsgemäß verladen ist. Dann nehme ich in den weichen Polstern des Busses meinen Platz ein und falle sofort in den Schlaf.

Knapp sechs Stunden später erreicht der Bus im Morgengrauen den Busbahnhof von Agadir. Kurz darauf sitze ich auf dem Fahrrad. Die Orientierung in Agadir fällt mir leicht und nun befinde ich mich auf der Straße nach Tiznit, eine kleine Stadt ca. 90 Km südlich von Agadir. Die Straße ist sehr stark befahren auch von vielen LKW. Leider gibt es soweit ich weiß keine Alternative. Die ersten 60 Km verläuft die Straße zum Glück vierspurig. Trotzdem ist es laut und oftmals überladenen Lastwagen blasen noch gute alte schwarze Abgasfahnen aus ihren Auspuffrohren. Drei mal werde ich von Militärkonvois überholt und jedes mal „rette“ ich mich auf den Seitenstreifen aus Schotter. Hinzu gesellt sich ein kühler, stetiger und immer stärker wehender Wind aus der falschen Richtung, von vorn und nach fünfzig Kilometern spüre ich ein wenig übernächtigt und noch mit einer abklingenden Erkältung in den Knochen, dass diese Etappe kein Zuckerschlecken wird. Immer wieder mache ich eine kleine Pause, trinke Wasser und verzehre einige Datteln. Datteln sind die nordafrikanische Antwort auf Protein-Powerriegel, die Ausdauersportler in unseren Breiten gerne benutzen. Man darf nur nicht zu viel davon essen, da sie sehr verdauungsfördernd sind.

Die letzten dreißig Kilometer wird die Straße zweispurig und die Überholmanöver der LKW-Fahrer verständlicherweise aus Platzgründen sehr unangenehm und jagen mir den einen oder anderen Schauer über den Rücken. Hinzu kommt, dass ich mich nur noch im Schneckentempo fortbewege, da ich gegen den starken Wind radeln muss.

Gegen 16 Uhr ist es geschafft und und ich stehe in der sehenswerten Medina (Altstadt) von Tiznit. Eine der Sehenswürdigkeiten ist die uralte aber gut restaurierte Stadtmauer aus Lehm mit ihren Stadttoren. Eine Unterkunft ist schnell gefunden und ich beziehe das kleinste, preiswerteste und einzig freie Zimmer des nächstbesten Hotels in der Medina. Ich bin müde und habe keine Lust lange zu suchen. Ein Bett, zwei Wolldecken, ein Kopfkissen, dazu ein Tisch und ein Stuhl. Platz für das Fahrrad gibt es gerade auch noch und ich kann mich immer noch im Zimmer drehen ohne irgendwo anzustoßen. Es gibt sogar ein Fenster. An diesem Tag brauche ich keinen weiteren Luxus. Duschen (kalt mit Schöpfkelle), ein Spaziergang, Essen und Schlafen stehen auf dem Programm des restlichen Tages.

Am nächsten Morgen geht es weiter. Nun aber auf einer ruhigen und malerischen kleinen Straße entlang der wenig besiedelten Küste. Das Wetter ist fast herrlich. Die Sonne scheint, der Himmel ist wolkenlos blau und der kühle, starke Wind bläst noch immer stark aus der Gegenrichtung. Ich schaffe es gerade einmal auf spärliche 13,5 durchschnittliche Stundenkilometer. Am Straßenrand sitzt ein junger Marokkaner neben seinem Fahrrad und macht gerade eine Pause. Wir verspeisen ein paar Datteln zusammen und ich erfahre, dass es sich auch auf einer mehrtägigen Radtour befindet. Dies erstaunt mich, da er keinerlei Gepäck bei sich hat. Nicht einmal eine Luftpumpe klemmt am Fahrradrahmen. Auf meine Frage hin, wo er denn seine Nächte verbringt, erklärt er mir, dass er an den Türen der Häuser klopft und um Obdach bittet. Okay, das habe ich nicht drauf. Tröstlich für mich ist, dass der junge Mann, obwohl er keine Packtaschen hat, die das Fahrrad im Wind ungemein bremsen, auch nicht viel schneller voran kommt.

Nach 53 Kilometern auf dem Fahrrad bin ich in dem kleinen Ort Mirleft angekommen, habe die Nase voll und suche mir eine Unterkunft, die nun etwas luxuriöser ausgefallen ist, denn das habe ich mir verdient so meine ich und bleibe erst einmal zwei Tage hier. Vielleicht flaut der Wind ja etwas ab. Nun sind Wanderungen am Strand und an der Steilküste angesagt.

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