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Mit dem Fahrrad nach Safi - die Fahrt durch einen Sturm ist anstrengend

Mai 12, 2020 - Lesezeit: 4 Minuten

Pfft, Pfft, durch zweimaliges Pusten in das Mikrophon wird es auf seine Funktionalität hin geprüft. Dann erschallt der lang gezogene Ruf: Ahlahu Akba, Gott ist groß, mit dem fast jeder Ruf zum Gebet eingeleitet wird. Da der Lautsprecher sich etwa zwanzig Schritt entfernt befindet, schmerzt die Lautstärke fast in meinen Ohren. Mein Zimmer befindet sich auf dem Dach eines kleinen Hotels in Essauira und scheint nachträglich dort angebaut zu sein. Es ist sehr schön dort oben und meist sehr ruhig. Noch zwei Etappen auf dem Fahrrad und ich werde in Safi angekommen sein, dem Ausgangspunkt meiner Radreise. Dort werde ich das Fahrrad demontieren und für den Flug nach Deutschland verpacken.

Die Fahrt von Tafraout nach Tiznit, die mich wieder aus dem Gebirge heraus führte, gestaltete sich dann doch noch recht abenteuerlich und anstrengend. Bei sonnigem Wetter gestartet, verlief die Fahrt erst einmal leicht ansteigend durch bizarre Felsenformationen. Nach etwa 30 Kilometern kam ich an den Beginn eines Passes, der mich noch einmal auf die Höhe von 1500 Metern hinauf führen sollte. Schon während der Fahrt dorthin begann ein Seitenwind zu wehen, dessen Böhen immer stärker wurden. Die Gipfel der Berge waren inzwischen von Wolken verhüllt. Eine kleine Pause mit einem zweiten Frühstück rüstete mich für die folgende Fahrt auf den Pass. Wie erwartet wurde dies auch anstrengend, erschwert durch immer stärker werdende Sturmböen. Es wurde recht kalt dort oben und ich war von den schnell ziehenden Wolken eingehüllt. Ich war ziemlich froh, als ich die Passhöhe erreichte, allerdings auch recht erstaunt, in dieser Höhe noch ein Dorf vorzufinden. Türen und Fensterläden waren geschlossen, der Sturm jagte die Wolkenfetzen um das Minarett der Moschee, was die Eindruck gespenstisch gestaltete. Nun wollte ich den Gipfel schnellstmöglich verlassen in der Hoffnung, dass das Wetter in einer niedrigeren Lage nicht so extrem, die Böen nicht so stark sind. Die Abfahrt war allerdings sehr kurz, denn vor mir erstreckte sich eine flache Hochebene und die Straße führte schnurgerade darüber hinweg. Der Sturm, noch immer von der Seite wehend, fegte nun nicht mehr von Felsen gebremst in orkanstärke drüber hinweg. Nun war an Fahrradfahren nicht mehr zu denken. Selbst als Fußgänger hatte ich Mühe, mich bei dem Sturm auf den Beinen zu halten und musste mich gegen das Fahrrad stämmen, da die Packtaschen dem Sturm eine große Angriffsfläche bieten. Die Sicht war schlecht, denn Wolkenfetzen jagten über die auf 1400 Metern gelegene Ebene. So hielt ich Ausschau nach irgend etwas, einen Steinhaufen, eine Mauer oder eine Kuhle, die mir Schutz hätten geben können und kämpfte mich vorwärts. Die „Rettung“ kam in Form eines alten klapprigen Peugeots, ausgestattet mit einer Gepäckbrücke, der wegen des Sturms im mäßigen Tempo über die Straße tuckerte. Der Fahrer erkannte die Lage in der ich mich befand und hielt an. Schnell entluden wir mein Fahrrad, zurrten es auf der Gepäckbrücke fest und verstauten die Packtaschen im Inneren des Fahrzeuges während um uns herum der Sturm toste. Circa 40 Kilometer weiter, jenseits der Hochebene auf 900 Metern Höhe entluden wir das Auto wieder, denn hier war der Sturm nicht mehr so stark und ich konnte meinen Weg radelnd fortsetzen. Die letzten 40 Kilometer waren bei starkem Gegenwind recht anstrengend und ich gelangte recht erschöpft bei Sonnenuntergang nach Tiznit. Von Tiznit aus radelte ich in den nächsten Tagen in mehreren Etappen über Agadir nach Essauira.

Inzwischen bin ich wohlbehalten wieder in Safi angekommen. Die Radreise verlief, mal von zwei gebrochenen Trinkflaschenhaltern, die problemlos ersetzt werden konnten, ohne jegliche technische Probleme. Nicht einmal eine Reifenpanne gab es zu reparieren.

Oft war es knapp, für meinen Geschmack zu knapp, wenn ich von Bussen oder Sattelschleppern in Kurven mit großer Geschwindigkeit und geringem Abstand überholt wurde. Ich hatte wohl auch ein wenig Glück. Eine Frau aus Deutschland hatte dieses Glück in Dakhla nicht und wurde von einem Reisebus angefahren. Die Sache ging halbwegs gut aus, denn sie blieb unverletzt, ihr Vorderrad überlebte diesen Unfall nicht. Auch ihr Kochgeschirr und der Kocher, verstaut in der rechten vorderen Packtasche sahen danach aus wie eingeschmolzen, was auf die Wucht des Aufpralls schließen lies. Der Fahrer des Busses hatte es wohl versäumt in den Außenspiegel zu schauen. Kurioser Weise fand dies alles an einem Posten der Gendarmerie statt, also an einer Stelle, an den man nicht mit einem Unfall rechnet. So hatte die Fahrradfahrerin immerhin glaubhafte Zeugen und konnte den Unfall zur Anzeige bringen. Mit Hilfe eines Taxis organisierte sie in Dakhla ein neues Vorderrad, ich war bei der Montage behilflich und so konnte sie ihre Reise am nächsten Tag vortsetzen.

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