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Oase im Sturm, Staub und nächtliche Kälte. Weiter Richtung Tata

Mai 5, 2020 - Lesezeit: 7 Minuten

Morgens brach ich in Guelmim auf Richtung Bou Izarkan, dann weiter nach Tarhjijt. Die Landschaft weist hier nun deutlich den Charakter einer Wüste auf. Die Oase Tarhjijt liegt etwa auf 600 Meter Höhe in einem Tal, das von einem kleinen Fluß durchflossen wird. Auf diesem fruchtbarem Stück Land wachsen Dattelpalmen und die Anwohner pflanzen dazu noch Gemüse an. Erreicht man nach einigen Stunden des Radelns durch sandige, teils geröllhaltige, bergige, trockene Landschaft diese grüne Oase, ein dicht bewucherten Ort, dann kann man sich kaum satt sehen.

Es war schon später Nachmittag und es wurde Zeit sich nach einem geeigneten Platz zum Übernachten in der Wüste umzuschauen. Diesen fand ich zwischen den Dattelpalmen am Flußufer der Oase. Ich hatte ein Picknick mit Froschkonzert an einem sehr romantischen Platz in der Abenddämmerung. Mit einiger Vorahnung zog ich mich in meinem Schlafsack zurück, nicht ohne vorher noch ein paar Schichten Kleidung anzulegen. Leider hatte ich, als mir Wochen vorher ständig Fahrradspeichen brachen, einiges an Ausrüstung nach Deutschland zurückgeschickt um das Gewicht meines Gepäcks zu verringern, was ja bekanntlich nicht die erhoffte Wirkungung hatte.

Nun begann ich diese Dinge bei der nächtlichen Kälte der Oase schmerzlich zu vermissen. Gegen 2 Uhr nachts fingen einige Zehen an taub zu werden, ich war am Schlottern. Nach und nach zog ich alle Kleidungsstücke an, die ich in den Packtaschen fand, inklusive der Regenkleidung. Eine leere Packtasche benutzte ich noch zusätzlich als Fußsack. Ich war sehr froh, als munteres Vogelgezwitscher den neuen Tag ankündigte. Als die ersten Sonnenstrahlen das Zeltdach berührten, war es zwar immer noch kalt, aber ich packte frierend zusammen und radelte zurück  ins Dorf um dort heißen Kaffee zu erstehen. Die kleine Bude hatte schon zu meinem Glück geöffnet. Dort kam ich mit einem Berber (der Anteil der Araber in der Bevölkerung liegt hier nur noch bei 10%) ins Gespräch, welcher mir für die Nächste Nacht ein Zimmer im Haus anbot. Ich willigte freudig ein, denn ich wollte die Oase eingehender besichtigen.

Eine Stunde später war ich am Drittkaffee angelangt, aufgetaut und fing langsam an schwitzend einige Lagen der Kleidung wieder auszuziehen, da die Quecksilbersäule der Wüste mit erstaunlicher Geschwindigkeit Richtung 30°-Marke kletterte. Den Tag verbrachte ich mit einem ausgedehnten Spaziergang in der Oase.

Am nächsten Tag ging es dann weiter zur nächsten Oase beim Ort Amtoudi. Diese liegt in einer mehrere Kilometer langen Felsenschlucht, darüber thronen 2 Speicherburgen, die größere und berühmtere ist Agadir Id Aissa. Zwei Tage verbrachte ich an diesem wunderschönen Ort, besichtigte Id Aissa und wanderte in der Schlucht.

Die Radreise ging weiter zur Oase Icht, der außer ein paar frühzeitliche Felsgravuren nichts vorzuweisen hat und ziemlich trostlos wirkt. Es war schon Nachmittag und mit der Aussicht dort am Abend eine warme Mahlzeit zu erhalten, bezog ich in Icht auf einem Campingplatz ein mit einem Lehmmäuerchen eingefasstes Berberzelt. Was sich im Nachhinein als sehr glückliche Maßnahme erwies. Am nächsten Morgen saß ich zu Gast bei einem sehr netten, älteren Ehepaar aus Zürich -wir waren die einzigen Gäste auf dem Campingplatz-  zum Frühstück im Wohnmobil und genoss italienischen Espresso, Käse, Marmelade... alles Dinge, die ich schon lange nicht mehr auf dem Frühstückstisch hatte. Der anfängliche etwas stärkere Wind entwickelte sich zu einem Sturm, Staub und Sandwolken wurden vom Sturm aufgewirbelt, an ein Weiterradeln zur nächsten Oase war bei dem Sturm nicht zu denken. Ich zog mich lesend in mein Zelt zurück, die Stangen wackelten, die Stoffbahnen flatterten, aber es hielt. Die beiden Decken, die vor dem Eingang hingen, ließen sich nicht befestigen, der Wind war stärker und so bließ mit jedem Windstoß eine gute Portion Staub in das Innere. Alles was ich nicht benötigte, wurde in den Packtaschen verstaut, denn über alles legte sich eine ockerfarbene Schicht. Das ging den ganzen Tag und auch die Nacht, so dass ich mich und den Schlafsack am nächsten Morgen entstauben musste. Der Sturm hatte nun etwas nachgelassen und seine Richtung geändert, so dass ich für die nächste Etappe einen kräftigen Rückenwind erwarten konnte. Nach einem erneuten köstlichen Frühstück bei dem schweizer Ehepaar ging es weiter, das nächste Etappenziel war die 80 Km weiter gelegene Oase Akka. Von Bergen flankiert, führt der Weg meist schnurstracks geradeaus auf einer einspurigen Straße durch die Wüste. Nach 40 Km fuhr ich durch eine Oase, der mir die Möglichkeit gab, noch einmal die Wasserflaschen aufzufüllen. Ansonsten eine weite Öde, hin und wieder ein paar dürre Bäume, welche meist ein paar hundert Meter von der Straße abgelegen standen. Selten kam ein Auto vorbei. Schatten gab es nicht. Für denjenigen, der es mag ist dies eine wunderschöne Landschaft in der man nichts hört außer dem Wind. Mit der Wärme konnte ich gut leben, das wichtigste ist halt, dass man genug Wasser dabei hat, denn der Bedarf ist immens. Die letzten Kilometer vor dem Wüstenkaff, der Oase Akka und die Ankunft in der Stadt beinhalteten einige Szenen, die man aus alten Italowestern kennt. Sergio Leone lässt grüßen.

Ankunft in Akka

Auf den letzten Kilometern vor der Stadt führt die Straße, wie von einem Lineal gezogen, geradeaus. Bin ich schon einmal so lange am Stück geradeaus geradelt? Es ist 16 Uhr, die Sonne im Rücken brennt immer noch gnadenlos. An der Einfahrt zur Stadt stehen zwei Sheriffs von der Gendarmerie Royal, schauen erst kritisch, nicken mir dann zu. Ich darf hineinfahren und befinde mich auf der Mainstreet der Oase. Die Fenster und Türen der niedrigen Häuser sind geschlossen, die Straße ist fast leer. Im Schatten dösen zwei Männer. Irgendjemand ruft irgendeinen Ismail. Aus einer Seitenstraße weht eine Staubwolke auf die Mainstreet. Ich kurbele sehr langsam und als ein Mopedfahrer hinter mir, auf gleichem Abstand bleibend fährt, fahre ich noch gemächlicher,  er auch. Zwei Jugendliche kommen um die Ecke und gaffen. Das Bild, das ich abgebe ist auch entsprechend. Ein vom Staub eingehülltes Fahrrad und Packtaschen, die ehemals blau, jetzt eher ocker sind, unrasiert, der Sand rieselt mir aus den Ohren, die Mütze zigmal durchgeschwitzt und getrocknet, salzverkrustet. Ebenso die Hose.

Nach 300 Metern halte ich vor einem Haus mit dem Schild „“Hotel, Restaurant, Cafe“, mein Saloon. Drin ein Wirt am Tresen, drei Männer, die Fußball schauen und mich jetzt neugierig anstarren, ein zahnloser alter Mann in einer Dschelabbah gehüllt steht abseits. Die Formalitäten sind schnell abgehakt. 4,50€ die Nacht, warme Dusche gibt’s nicht, kalt gibt es. Ich will mein Fahrrad in den hinteren Flur schieben, da macht mir der Zahnlose mit ein paar Zeichen klar, das ich es besser mit auf das Zimmer nehme. Ich fange an die Oase zu mögen. Mein Zimmer beinhaltet Tisch, Bett und Stuhl, eine Glühbirne an der Decke. Gegenüber auf der anderen Staßenseite befindet sich die Moschee. Morgen früh gegen fünf wird der Muhezzin mich wecken mit dem Ruf: As salat kheir min al naum- Das Gebet ist besser als der Schlaf.

Weiter zur Oase Tata

Am darauf folgendem Tag ging es weiter nach Tata. Leider brütete ich schon über Nacht eine ordentliche Erkältung aus. Radeln in der Wüste mit triefender Nase, hustend, schwitzend. Nach 60 Km war der Ort Tata erreicht und ich ziemlich fertig. Habe mir ersteinmal eine Unterkunft gesucht und zünde die Vitamin C - Bombe in Form von reichlich Mandarinen und Bananen. Werde wohl ersteinmal zwei Nächte hier bleiben.

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