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Speichenbrüche zwischen Casablanca und Safi

Mai 5, 2020 - Lesezeit: 5 Minuten

Mein Plan bestand darin, von Rabat aus bis kurz vor Casablanca zu radeln, dort auf einem Campingplatz zu übernachten, um dann am nächsten Tag in einem Zug die Stadt in den frühen Morgenstunden zu durchqueren, um damit dem berüchtigten Stadtverkehr zu entgehen. Auf Casablanca selbst hatte ich nicht allzu viel Lust, hatte eigentlich genug von den Städten und wollte ein wenig die Natur genießen.

Aber leider machte mir mein Hinterrad wieder einen Strich durch die Rechnung.

Alle Maßnahmen hatten nicht gefruchtet, denn kurz vor der Stadt Mohamedia brach dann die nächste Speiche. Es blieb mir nichts anderes übrig, als nach Casablanca hinein zu fahren, um dort in der Nähe von Fahrradgeschäften weitere Umbaumaßnahmen am Fahrrad vornehmen zu können.

Auf Grund Unwissenheit meinerseits bezüglich neuer Bauteile am Fahrrad, hatte ich eine Fehlkonstruktion noch vor der Reise zusammengeschraubt, was mir erst nachdem ich meine schmerzlichen Erfahrungen gemacht hatte, leider zu spät, bewusst wurde.

Wieder ging ein Tag dafür drauf, in einer verwinkelten  Altstadt in Marokko herumzuwuseln um einige minderwertige Bauteile zu erstehen, von denen ich hoffte, dass sie meine Probleme lösen würden. Die Altstadt von Casablanca ist nach meinem Geschmack nicht sehr empfehlenswert. Sehr touristisch und die Menschen dort, aber das scheint ein Phänomen in jeder großen Stadt zu sein, sind sehr unhöflich und auf den schnellen Dirham aus. Den Nachmittag verbrachte ich dann montierend in der Hotelhalle, was für Gäste und Angestellte eine Attraktion darstellte, mir allerdings ein wenig auf die Nerven ging.

Am nächsten Tag startete ich voller Hoffnung Richtung Azemmour aber schon nach ca. 30 Km bewies mir die nächste gebrochene Speiche (und es sollte nicht die letzte des Tages sein), dass meine Hoffnungen unbegründet waren. Resignation und daraus resultierender Gleichmut machten sich bei mir breit und halfen mir dabei, doch noch irgendwie die Schönheit der Natur und das Radeln zu geniessen.

Bei der letzten Speiche hatte ich dann Glück. Trainiert bei der Montage einer neuen, schob ich mein Fahrrad auf den Vorplatz einer Zweiradmechanikerwerkstatt um dort die Reparatur schnellstmöglich durchzuführen und kam dann mit einem jungen Mann, Youssef, ins Gespräch. Youssef war Mitglied der marokkanischen Nationalmannschaft der Strassenrennradfahrer. Er lebt in der Stadt Safi und lud mich zu sich ein.

Safi war 2 Tagesetappen entfernt und so verabredeten wir uns dementsprechend. Den Nächsten Tag schaffte ich es ca. 90 Km weit bis kurz vor Oualidia (1 Speichenbruch). Die Fahrt dorthin führte unangenehmer Weise für einige Kilometer durch ein Industriegebiet vorbei an einem Hafen, in dem Phosphat verladen wird. Der Mief und der dort entstehende Schwerlastverkehr sind der reinste Horror für einen Fahrradfahrer. Aber schon einige Kilometer später lichtete sich der Verkehr und es ging durch intensiv landwirtschaftlich genutzte Gegenden. Mein Zelt schlug ich an diesem Abend am Strand auf und konnte den Sonnenuntergang genießen.

Der Morgen des nächsten Tages offenbarte sich mir sehr stürmisch und dieser starke Wind kam, wie sollte es auch anders sein, von vorn. Bei bedecktem Himmel und bei starkem Gegenwind machte ich mich also auf den Weg nach Safi, entlang eines wunderschönen Küstenabschnittes, leider fiel es mir schwer die Landschaft unter den gegebenen Umständen zu geniessen. Ich wollte unbedingt in Safi ankommen, denn ich hatte ja eine Verabredung. Schwer kämpfend schaffte ich es bis 15 Km vor Safi (musste auch nur eine Speiche wechseln), als mir Youssef auf einem Moped entgegenkam. Er hatte sich schon Sorgen gemacht, da ich unter normalen Umständen schon längst die Stadt Safi erreicht hätte. Da ich wohl ein wenig müde aussah, bot er mir an zurück zu fahren um mich dann mit einem LKW einzusammeln. Darauf willigte ich freudig ein. Ich schaffte es dann noch bis kurz vor die Stadt, dann wurden mein Fahrrad und ich auf dem LKW verladen und die letzten paar Km zum Haus der Familie in Safi gefahren, wo ich dann die ganze Bandbreite orientalischer Gastfreundschaft nebst Unterkunft zu spüren bekam.

Nun sitze ich hier in Marokko fest und muß warten, daß mich neue, und nun die richtigen Bauteile per Post erreichen. Inzwischen kenne ich fast die gesamte Nationalmannschaft der marokkanischen Rennradler und weiß, wo ein Zentrierständer steht. Mein Eldorado. Um die Gastfreundschaft meiner Gastgeber nicht allzu sehr zu strapazieren habe ich einen Ausflug mit dem Bus nach Marakesch gemacht, mit leichtem Gepäck.

Hier sitze ich nun, schreibe diese Zeilen und kuriere eine etwas stärkere Erkältung aus, die ich mir bei meiner windigen Tour wohl eingefangen habe, warte auf Post und hoffe, dass Afrika, rein von der Mentalität her, nicht schon im Herzen Berlins beginnt. Fortsetzung folgt.

Mein Entschluss, nicht durch Mauretanien zu reisen, hat sich als sehr weise erwiesen. Jeder hier rät mir davon ab, denn aus den hiesigen Nachrichten kann man entnehmen, dass sich dort Unruhen zusammenbrauen. Man spricht von einem bevorstehenden  Bürgerkrieg.

 
Anmerkung:
Monate später weiß ich, dass es zum Glück keine Unruhen in Mauretanien gab, aber die Wahrscheinlichkeit war hoch. Generell gilt dieses Land als unsicheres Reiseland. Von Entführungen dort wurde berichtet. Wenn europäische Kampfflugzeuge wie damals im benachbarten Mali Einsätze fliegen, dann kann die Stimmung im Land schnell umschlagen.

Erst zwei Jahre später erfuhr ich von den Mechanikern der Fa. Rohloff, dass ich höchstwahrscheinlich fehlerhafte Speichen mit einer falschen Legierung erworben hatte. Die Konstruktion des Hinterrades war durchaus okay. Der Speichengersteller hatte in diesem Jahr zwei mal eine Rückrufaktion durchführen müssen. An der Scheibenbremsanlage, die ich in Casablanca gegen eine V-Bremse ausgetauscht hatte, lag es jedenfalls nicht.

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